Autor: Marcel Rösel

Händler-App – „Make or Buy“

Digitalisierung | E-Commerce | Service & Einkaufserlebnis | Technik
Dieser Artikel hilft Ihnen bei der Entscheidung, ob eine Händler-App der richtige Weg für Ihr Unternehmen ist. Wir geben die Antwort auf die große Frage: „Make or Buy“ oder anders gefasst: „Individuelle Lösung vs. White-Label-Lösung“.
Infos zum Thema auf einen Blick:
  • Handfeste Beweise für den Nutzen von Händler-Apps findet man bei großen Unternehmen
  • Oft liegen jedoch nur Vermutungen für den Nutzen einer Händler-App zugrunde
  • Die Kernaufgabe einer App liegt in der Verbindung von On- und Offline-Kanälen
  • White-Label-Lösungen und individuelle Lösungen müssen gegeneinander abgewogen werden

Händler-Apps sind nur etwas für die Umsatzriesen?

Lidl, Mango oder Otto haben eine eigene Händler-App. Vor dem Hintergrund ihrer hohen Nutzerzahl ist schnell erklärt, warum hier eine eigene Händler-App funktioniert. Doch auch mittelständische Unternehmen wie Betten Winkler setzen auf eine eigene App. Im Vordergrund steht nicht der In-App-Kauf, sondern eine verbesserte Kundenerfahrung im Store und Online.

Google sieht in einer 2020 durchgeführten Studie zu Händler-Apps eine wesentliche Einschränkung: Händler-Apps bieten eine tiefgreifende Integration aller Vertriebswege, die eine verbesserte Kundenerfahrung mit sich bringen. Die Apps seien also kein eigenständiger Umsatztreiber, sondern mit der App-Nutzung steige der Gesamtumsatz – online und im Ladengeschäft.

Die Bedeutung von Händler-Apps für den Handel

Handfeste Zahlen zu dem Nutzen für Handelsunternehmen von mobilen Apps sind rar. Es gibt einige evaluierte Zahlen und Mittelwerte, die aus der Praxis von Händler-Apps stammen und die Wirksamkeit und den Mehrwert dieser Apps belegen oder zumindest andeuteten. Oft liegen jedoch nur Vermutungen zugrunde, die auf einer Übertragung von mobile Käuferinnen und Käufern und App-Usern basieren. Einige Beispiele sind:

  1. Conversion-Rate: Laut einer Studie von Criteo aus dem Jahr 2021 betrug die durchschnittliche Conversion-Rate für mobile Einkäufe weltweit im Jahr 2020 etwa 4,4%, während die Conversion-Rate für Desktop-Einkäufe bei etwa 2,9% lag.
  2. Durchschnittlicher Bestellwert: Laut einer Studie von Think with Google aus dem Jahr 2020 lag der durchschnittliche Bestellwert bei Mobilgeräten um 30% höher als bei Desktop-Einkäufen.
  3. Nutzerzahlen: Laut einer Studie von App Annie aus dem Jahr 2021 betrug die Anzahl der mobilen App-Downloads weltweit im Jahr 2020 etwa 218 Milliarden, was einem Anstieg von 7% gegenüber dem Vorjahr entspricht.
  4. Kundenbindung: Laut einer Studie von CleverTap aus dem Jahr 2021 erhöht eine personalisierte mobile Einkaufserfahrung die Kundenbindung um 2,7-mal im Vergleich zu nicht personalisierten Einkaufserfahrungen. Es gibt jedoch keine spezifischen Daten zur Kundenbindung von Händler-Apps im Vergleich zu anderen Einkaufskanälen.
  5. Return on Investment (ROI): Laut einer Studie von Adobe aus dem Jahr 2021 betrug der durchschnittliche ROI für mobile Einkäufe im Jahr 2020 etwa 10%, während der ROI für Desktop-Einkäufe bei etwa 7% lag. Es gibt jedoch keine spezifischen Daten zum ROI von Händler-Apps im Vergleich zu anderen Einkaufskanälen.

Aus all dem lässt sich erst einmal schließen, dass jede neue und erfolgreiche E-Commerce-Aktivität einem „mobile first“ Grundsatz folgen sollte.

Mobile first ist ein Designansatz, bei dem die Benutzererfahrung für mobile Geräte im Vordergrund steht. Dieser Ansatz ist wichtig, da immer mehr Menschen mobile Geräte nutzen, um auf das Internet zuzugreifen und eine schlechte mobile Benutzererfahrung zu Verlusten von Besuchern und Kunden führen kann.

Das Leistungsversprechen

Hersteller solcher Lösungen versprechen einen großen Nutzen. Häufig wird mit folgenden Leistungsversprechen einer Händler-App geworben:

  • Verbesserte Marketingaktivitäten
  • Verbessertes Kundenerlebnis und Engagement
  • Erhöhter Bestellwert
  • Personalisiertes Einkaufserlebnis
  • Verbesserte Kundenbindung
  • Automatisierte Geschäftsprozesse
  • Höhere Wiederkaufrate
  • Erhöhte Umsatzerlöse
  • Mehr Transparenz
  • Spielerische Aspekte (Gamification) und dadurch ein Differenzierungsmerkmal für Unternehmen

Inwiefern diese Versprechen im Einzelfall Realität werden, hängt von vielen Faktoren und dem Funktionsumfang der jeweiligen Händler-App ab. Hier lässt sich keine pauschale Antwort ableiten, sondern nur grob festhalten, dass die eigene App viele Vorteile bieten könnte.

Das Risiko

Der Handel kann unter Umständen eine 1:1-Übertragung der Online-Erfahrung im Laden erzeugen. Aus Kundensicht rüttelt er an seiner eigenen Daseinsberechtigung. Die Digitalisierung der gesamten stationären Erfahrung ist durchaus kritisch, wird aber von den Dienstleistern oft als Endziel angenommen. Bei der Planung und App-Entwicklung sollte im Vordergrund stehen, wie man das Einkaufserlebnis durch die Nutzung der App verbessern und nicht wie dieses ersetzt werden könnte.

„Eine weitere App zu installieren heißt, die Ordnung der Kundinnen und Kunden auf dem Home-Screen zu stören. Hier sind europäische User seltener bereit eine neue App auszuprobieren“, sagt Marcel Rösel, Projektleiter handel.digital. „Die eigene Händler-App muss ein oder gar mehrere Probleme der Kundschaft lösen, um eine realistische Chance auf dem Markt zu haben und somit die Investition wieder aufzufangen.“

Es ist eine große Aufgabe Menschen davon zu überzeugen, dass diese den Nutzen einer Händler-App verstehen. Klassisch können Lockangebote die Einstiegshürde beseitigen, was durch exklusive Angebote oder begrenzte Rabatte zum Zeitpunkt der Installation geschehen kann. Doch langfristig muss die Händler-App weiterentwickelt werden und immer den größtmöglichen Nutzen bieten.

Standard-Funktionen der Händler-Apps

Benutzerprofile und individuelle Kundendaten

Der Prozess, bei dem ein Benutzer seine persönlichen Informationen und Einstellungen innerhalb seines Profils in der Anwendung bearbeitet und aktualisiert.

Shopping Cart

Ein virtuelles Instrument, das verwendet wird, um Produkte auszuwählen und in der App zu speichern, bevor sie zur Kasse gehen oder online zu bezahlen.

Checkout & Payment

Der Prozess, bei dem ein Kunde die ausgewählten Produkte oder Dienstleistungen in der App kauft und die Zahlung durch eine der verfügbaren Zahlungsoptionen abwickelt.

Kundensupport

Die Unterstützung, die ein Unternehmen seinen Kunden bietet, um Probleme, Fragen oder Beschwerden in Bezug auf das gekaufte Produkt oder die erhaltene Dienstleistung in der App zu lösen.

Wunschliste

Eine Liste von Produkten oder Dienstleistungen, die ein Kunde auf einer Website speichert, um sie später zu kaufen oder mit Freunden und Familie zu teilen.

Auftragsverfolgung

Der Prozess, bei dem ein Kunde den Status seiner Bestellung auf einer Website verfolgen kann, von der Bestellbestätigung über die Lieferung bis hin zur Zustellung.

Weitere Funktionen

  • Augmented Reality (AR): Eine Technologie, die digitale Elemente in die reale Welt einfügt, indem sie die Umgebung eines Benutzers mit computergenerierten Bildern, Videos oder 3D-Modellen erweitert.
  • Empfehlungen durch maschinelles Lernen (ML): Eine Technologie, die auf Basis von Algorithmen und Daten Empfehlungen erstellt, die auf den Vorlieben und Interessen eines Benutzers basieren.
  • Barcode-Scanner: Eine Technologie, die es ermöglicht, mit einem mobilen Gerät einen Barcode zu scannen, um damit Informationen zu Produkten, Dienstleistungen oder anderen Objekten abzurufen. Denkbar, um den Self-Check-Out zu ermöglichen.
  • Push-Benachrichtigungen: Kurze Mitteilungen, die von einer Anwendung an ein mobiles Gerät gesendet werden, um den Benutzer über wichtige Ereignisse, Angebote oder Neuigkeiten zu informieren.

Beispielkalkulation

Die Kalkulation für die Kosten eines Handelsunternehmens, um eine eigene Händler-App zu bauen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Komplexität der App, der Größe des Unternehmens und den Anforderungen an die Funktionen und Design der App.

Individuelle Lösung

  1. Entwicklungskosten: Die Kosten für die Entwicklung der App können stark variieren, je nachdem ob das Unternehmen eine eigene interne IT-Abteilung hat, die die App entwickeln kann oder ob es einen externen Entwickler beauftragen muss. Die Entwicklungskosten können je nach Komplexität der App und der Anzahl der Plattformen, auf denen die App verfügbar sein soll, zwischen 50.000 und 200.000 € liegen.
  2. Designkosten: Das Design der App ist ein wichtiger Faktor für die Benutzerfreundlichkeit und das Kundenerlebnis. Die Kosten für das Design können je nach Umfang und Anforderungen der App zwischen 10.000 und 50.000 € liegen.
  3. Infrastrukturkosten: Für den Betrieb einer App ist eine robuste Infrastruktur erforderlich, um die App auf verschiedenen Plattformen zu hosten und die Daten zu verarbeiten. Die Kosten für die Infrastruktur hängen von der Größe des Unternehmens und der Anzahl der Benutzer ab und können zwischen 5.000 und 20.000 € pro Jahr liegen.
  4. Test- und Qualitätskontrollkosten: Um sicherzustellen, dass die App fehlerfrei funktioniert, müssen umfassende Tests und Qualitätskontrollen durchgeführt werden. Die Kosten für Tests und Qualitätskontrollen können je nach Umfang und Anforderungen der App zwischen 5.000 und 20.000 € liegen.
  5. Wartungskosten: Nach der Veröffentlichung der App müssen regelmäßige Updates und Wartungsarbeiten durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die App fehlerfrei funktioniert und mit den neuesten Technologien und Sicherheitsstandards kompatibel ist. Die Kosten für die Wartung können je nach Umfang der App und der Anzahl der Benutzer zwischen 10.000 und 30.000 € pro Jahr liegen.

Insgesamt können die Kosten für die Entwicklung, das Design, die Infrastruktur, die Tests und die Wartung einer Händler-App zwischen 80.000 und 320.000 € liegen, abhängig von den spezifischen Anforderungen und der Größe des Unternehmens. Bitte beachten Sie, dass dies nur eine Beispielkalkulation ist und die tatsächlichen Kosten je nach den spezifischen Anforderungen und Umständen des Handelsunternehmens variieren können.

White-Label-Lösung

Die Implementierung einer White-Label-Lösung für eine App kann für Handelsunternehmen oft kosteneffektiver sein als die Entwicklung einer eigenen App von Grund auf.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Verwendung einer White-Label-Lösung möglicherweise Einschränkungen hinsichtlich der Funktionalität und des Designs mit sich bringen kann. Die Wahl zwischen der Entwicklung einer eigenen App und der Verwendung einer White-Label-Lösung hängt daher von den individuellen Anforderungen und Prioritäten des Handelsunternehmens ab.

Individuelle Lösung

Kostenfaktor Kostenbereich
Entwicklungskosten 50.000 - 200.000 €
Designkosten 10.000 - 50.000 €
Infrastrukturkosten 5.000 - 20.000 € pro Jahr
Test- und Qualitätskontrollkosten 5.000 - 20.000 €
Wartungskosten 10.000 - 30.000 € pro Jahr

White-Label-Lösung

Kostenfaktor Kostenbereich
Lizenzgebühren 5.000 - 50.000 € pro Jahr
Anpassungskosten 20.000 - 50.000 €
Integration mit eigenen Systemen 10.000 - 30.000 €
Schulungskosten für Mitarbeiter 5.000 - 10.000 €

Insgesamt können die Kosten für eine White-Label-Lösung zwischen 40.000 und 140.000 € liegen, abhängig von den spezifischen Anforderungen des Handelsunternehmens und den Lizenzgebühren des Anbieters. Ein weiterer Vorteil der Verwendung einer White-Label-Lösung ist, dass die Implementierung oft schneller erfolgen kann als die Entwicklung einer eigenen App.

Fazit

Zwischen beiden Lösungen bestehen im Bereich der Funktionalität große Unterschiede. Gleiches gilt auch für den Kostenunterschied mit mindestens 40.000€ Unterschied zwischen individueller App und White-Label-Lösung. Die Entscheidung „Make or Buy“ ist nur unter Berücksichtigung des langfristig zu erwartenden Mehrwertes für das Unternehmen zu treffen, sowie die verfügbaren Mittel und andere gegebenenfalls bessere Alternativinvestitionen.

Anbieter von White-Label-Apps

  • Plobal Apps – Shopify-Shop in eine App umwandeln
  • GoodBarber – Baukasten-System für eine eigene App
  • BuildFire - Baukasten-System für eine eigene App
  • Shoutem - Baukasten-System für eine eigene App
  • AppYourself - Baukasten-System für eine eigene App

White-Label-Lösung für die digitale Kunden-Karte

Workaround für kleinere Unternehmen

Der Nutzen einer App ist, wie wir gesehen haben dann groß, wenn das Unternehmen ebenfalls groß ist. Erst dann verbindet eine Händler-App die Vertriebswege, Angebote und IT-Infrastruktur zu einem runden Nutzererlebnis.

Einen Start kann man mit freien Apps machen, wie WhatsApp. WhatsApp ist nicht nur der meist genutzte Messenger in Deutschland, sondern kann durch WhatsApp Business auch mit einem Produktkatalog verbunden werden. Ebenfalls sind Chat-Funktionen, Automationen und sogar ein Ticket-System möglich. Mit wenigen Klicks können Websites und Shops mit dem eigenen Whats-App-Unternehmensprofil verbunden werden. Gleiches gilt für einen Beileger in die Tüte, einen Aufdruck auf der Tüte oder Aushänge im Laden. Somit sammeln Sie ebenfalls Kundendaten, erhöhen die Interaktion und verbessern das Nutzererlebnis.

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