Am 08. Oktober 2023 wird in Hessen die nächste Landtagswahl stattfinden. Bei dieser Wahl wird über die Zusammensetzung des 21. Hessischen Landtags entschieden, der seine neue Legislaturperiode Anfang 2024 beginnen wird. Der Handelsverband Hessen ist die Stimme und das Sprachrohr des hessischen Handels. Als Branchenverband vertreten wir die Interessen des Handels gegenüber der Politik, anderen Wirtschaftsbranchen und der Öffentlichkeit. Mit unseren Forderungen zur Landtagwahl machen wir auf die notwendigen Rahmenbedingungen für einen zukunftsfähigen und starken Handel in Hessen aufmerksam und verschaffen uns bei den politischen Parteien Gehör. Unser Gemeinsames Ziel ist die Sicherung der Zukunft des Hessischen Handels.
Das hessische Landesprogramm "Zukunft Innenstadt" zielt darauf ab, Innenstädte und Stadtteilzentren zu erhalten und zukunftsfähig zu machen. Es wird empfohlen, dass das Land den überwiegenden Teil der förderfähigen Ausgaben übernimmt und den bürokratischen Aufwand minimiert. Die Umsetzung vor Ort soll schnell und unbürokratisch erfolgen. Der Landeswettbewerb "Ab in die Mitte! Die Innenstadt-Offensive Hessen" zielt darauf ab, die Attraktivität der Innenstädte zu erhalten und Leerständen entgegenzuwirken. Die Zusammenarbeit zwischen dem Land Hessen und dem Handelsverband Hessen e.V. sollte fortgesetzt und gefördert werden. Es ist wichtig, die Innenstadtakteure beim Leerstandsmanagement zu unterstützen und Initiativen wie "Stadtlabore für Deutschland: Leerstand und Ansiedlung" finanziell zu fördern. In Hessen sollten keine weiteren Factory Outlet Center genehmigt werden. Wichtig ist auch die Stärkung des technologiebasierten Wandels und der Innovation in urbanen Räumen.
Die Funktion der hessischen Innenstädte und Stadtteilzentren zu bewahren und darüber hinaus für die Zukunft optimal zu rüsten, muss auch weiterhin das Ziel des Landesprogramms „Zukunft Innenstadt“ sein. Es ist essenziell, dass die Entwicklung der hessischen Innenstädte und Stadtteilzentren auf der politischen Agenda bleibt. Das Land Hessen sollte hier auch weiterhin fördern, mindestens 80 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben übernehmen und den bürokratischen Aufwand so gering wie möglich halten.
Als Bündnispartner drängen wir darauf auch weiterhin möglichst schnell in die Umsetzung vor Ort zu kommen. Dafür ist eine zügige und unbürokratische Vergabe der Fördermittel an hessische Städte und Gemeinden maßgeblich.
Lebendige und attraktive Innenstädte und Ortszentren stiften Identität und steigern die Lebensqualität. Daher ist es wichtig, die Anziehungskraft der Zentren langfristig zu erhalten bzw. weiter zu verbessern. Negativen Entwicklungstendenzen, wie Leerständen, Filialisierungen und Verödungen soll entgegengewirkt werden. Mit „Ab in die Mitte! Die Innenstadt-Offensive Hessen“ setzt das Land Hessen unter anderem gemeinsam mit dem Handelsverband Hessen e.V. ein Zeichen, um neue Impulse für die Stadtentwicklung einzufordern und damit das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die Attraktivität der Zentren zu lenken. Diese Zusammenarbeit muss unbedingt erhalten bleiben und weiter gefördert werden.
Das aktive Management (und damit die Vermeidung) von Leerstand in klassischen Einzelhandelslagen und Gewerbeobjekten zählt gegenwärtig zu den Kardinalaufgaben von Kommunen, allen voran von Wirtschaftsförderungen oder City-Management-Organisationen. Die „Deutschlandstudie Innenstadt 2022“ zeigt, dass die Innenstadtakteure zunehmend proaktiv mit Leerständen umgehen und gemeinsam an Ideen zur Zwischen- und Nachnutzung arbeiten. Vor allem die Initiative „Stadtlabore für Deutschland: Leerstand und Ansiedlung“ gilt es in diesem Zusammenhang von Seiten der Landesregierung anzuerkennen und finanziell zu unterstützen. Mit dieser Initiative hat das IFH Köln gemeinsam mit 14 deutschen Modellstädten eine digitale Plattform für proaktives Ansiedlungsmanagement in Innenstädten erarbeitet und Standards für ein dialogorientiertes Miteinander von Stadtzentren geschaffen.
In Hessen dürfen keine Factory-Outlet-Center (FOC) genehmigt werden. FOC bedeuten für die umliegenden Gemeinden, insbesondere in den innenstadtrelevanten Sortimentsbereichen, deutliche Umsatzabflüsse. Ansiedlungen solcher FOC haben eine Verminderung der Vielfalt und Dichte des Warenangebotes und eine Verstärkung vorhandener Strukturdefizite, wie Ladenleerstände und Frequenzverluste, zur Folge. Geschäftsaufgaben wären zu erwarten. Betroffen wären in erster Linie kleinere und mittelgroße Einzelhändlerinnen und Einzelhändler. Programme auf Landes- und Bundesebene tragen dazu bei, die Innenstädte attraktiv zu halten und neu zu beleben. Eine Genehmigung von FOC würde die bereits investierten monetären und bürgerschaftlichen Anstrengungen für den Erhalt und die Zukunftsfähigkeit unserer Innenstädte und Stadtteilzentren konterkarieren. Darüber hinaus sollte sich die hessische Landesregierung aktiv dafür einsetzen, dass FOC in benachbarten Bundesländern „vermieden“ werden.
Auch die Städte müssen digitaler werden, um den neuen Serviceerwartungen und den hohen Qualitätsstandards der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden. Die Idee der Smart City geht mit der Nutzbarmachung digitaler Technologien einher. Sie stellt zugleich eine Reaktion auf die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Herausforderungen dar. Im Fokus stehen hierbei der Umgang mit Umweltverschmutzung, dem demographischen Wandel, Bevölkerungswachstum, Finanzkrisen oder Ressourcenknappheit. Dabei geht es vor allem um den Auf- und Ausbau für bürgernahe und operativ nutzbare Technologien. Hier gilt es dringend einfache Wege zu schaffen, um den Städten und Gemeinden auch weiterhin finanzielle Mittel zur Verfügung stellen zu können.
Die Entscheidung über Öffnungszeiten von Geschäften und verkaufsoffene Sonntage basiert auf individueller unternehmerischer Abwägung und sollte nicht durch einen allgemeinen landespolitischen Eingriff festgelegt werden. Verkaufsoffene Sonntage werden als wichtiger Baustein betrachtet, um die Attraktivität von Standorten zu steigern und dem veränderten Konsumentenverhalten gerecht zu werden. Die festgeschriebenen vier Sonntage im Jahr werden als notwendig erachtet, um Innenstädte und Stadtteilzentren nachhaltig zu beleben und allen Akteuren zugutekommen zu lassen.
Die Entscheidung für eine Reduzierung oder Verlängerung der Öffnungszeiten muss immer auf einer individuellen unternehmerischen Abwägung basieren und darf somit nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie unternehmerisch Sinn ergibt. Einen verallgemeinernden landespolitischen Eingriff darf es indes nicht geben. Die Entscheidung darüber, ob Öffnungszeiten angepasst werden, muss individuell bleiben.
Verkaufsoffene Sonntage sind ein wichtiger Baustein, um die Attraktivität eines Standortes zu steigern. Durch den Erlebnischarakter können verkaufsoffene Sonntage dem veränderten Konsumentenverhalten Rechnung tragen. Von der Belebung der Innenstädte und Stadtteilzentren profitieren letztendlich alle Akteure nachhaltig. Unsere hessischen Städte und Gemeinden brauchen daher die im Gesetz festgeschriebenen vier Sonntage im Jahr, und zwar rechtssicher.
In Deutschland und speziell in Hessen dauern Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte, vor allem im Verkehrsbereich, zu lange. Eine beschleunigte Umsetzung ist erforderlich, durch eine umfassende Vereinfachung des Umwelt- und Planungsrechts auf allen Ebenen, sowie die Gewährleistung ausreichender Behördenkapazitäten und die Vermeidung von übererfüllten EU-Vorgaben.
Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte dauern in Deutschland und auch im Bundesland Hessen viel zu lang, vor allem im Bereich Verkehr. Sie sind maximal zu beschleunigen. Landtag und Landesregierung müssen für eine umfassende Vereinfachung des Umwelt- und Planungsrechts auf Ebene des Landes, des Bundes und der EU eintreten. Große Potenziale liegen in der Wiedereinführung einer Präklusionsregelung, der Einführung weiterer Stichtagsregelungen und einer noch stärkeren Verzahnung von Raumordnung und Planfeststellung. Die Landesregierung muss eine auskömmliche Personalausstattung ihrer Behörden gewährleisten. Zudem darf sie EU-Vorgaben nicht übererfüllen.
Die Landespolitik sollte auf effiziente, nachhaltige Mobilität und Logistiksysteme setzen, anstatt den innerstädtischen Verkehr zu behindern. Einfahrtverbote für Lkw und Busse sollten vermieden werden. Städtische Aufenthaltsqualität ist wichtig, doch alle Stakeholder, einschließlich des Innerstädtischen Handels, sollten von Anfang an einbezogen werden. Flexible, innovative Lösungen sollten starren Verboten vorgezogen werden.
Der innerstädtische Individualverkehr sowie das Be- und Entladen von Güterverkehren dürfen nicht durch Anfahrerschwernisse behindert werden. Einfahrtverbote für Lkw und Busse in Innenstädte müssen vermieden werden. Die Landespolitik sollte auf effiziente, innovative und nachhaltige Mobilitäts- und Logistiksysteme setzen – beispielsweise auf intermodale Konzepte – statt auf starre Verbote, etwa bei Luftreinhalteplänen. Städtische Bestrebungen zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität in den Innenstädten unterstützt der Handelsverband Hessen grundsätzlich natürlich, gleichwohl muss bei solchen Vorhaben klarer nach Außen kommuniziert und alle Stakeholder, insbesondere auch der Innerstädtische Handel, von Beginn an einbezogen werden.
Das hessische Gründerökosystem sollte gefördert und ausgebaut werden, insbesondere durch regionale Gründerzentren und das Programm "Startup Hessen". Der Handel sollte besser unterstützt werden, indem konzeptionelle Innovationen in Förderprogrammen berücksichtigt werden. Die Verankerung und Bündelung des Gründerökosystems bei der Wirtschaftsförderung und das "Hessische Gründerpreis"-Programm müssen erhalten bleiben und gestärkt werden. Die Nachfolge im Handel benötigt besondere Unterstützung, wofür ein Sensibilisierungsprogramm sinnvoll ist.
Die laufenden Initiativen zur Stärkung des hessischen Gründerökosystems müssen gefördert und ausgebaut werden. Hierfür sollte auch die regionale und dezentrale Struktur der Gründerzentren beibehalten und gestärkt werden. Der zentrale Anker „Startup Hessen“ muss weiter ausgebaut werden. Das gerade initiierte push!-Stipendium ist eine tolle Initiative und muss unbedingt fortgeführt werden.
Derzeit unterstützen die etablierten Förderprogramme zumeist nur technische-, nicht aber konzeptionelle Innovationen, die vor allem im Handel anzufinden sind. Der Handel fällt deshalb häufig durch das Raster. Bestehende Förder- und Finanzierungsprogramme sollten daher über die Landesbank erweitert und konzeptionelle Innovationen stärker einbezogen werden. Die im Handel laufenden Veränderungsprozesse und daraus erwachsende konzeptionelle Innovationen verdienen mehr Anerkennung und Unterstützung. Hier kann eine Erweiterung bestehender oder die Schaffung neuer Förderprogramme einen wichtigen Beitrag leisten.
Das Gründerökosystem Hessen findet aktuell eine sehr gute Verankerung und Bündelung bei der hessischen Wirtschaftsförderung und dem Standortmarketing. Diese Zuordnung muss beibehalten werden. Die Netzwerke müssen erweitert und Branchenverbände als Kompetenzgeber für die jeweilige Branche entsprechend einbezogen werden.
Der Hessische Gründerpreis muss zur Stärkung des Gründerstandortes Hessen erhalten bleiben und darf keine Budgetkürzungen erfahren, viel mehr muss das Ziel eine Aufwertung des Preises sein. Neben einer Förderung durch den Gewinn eines Imagefilms, sollte auch über ein mit dem Gewinn verbundenes Preisgeld nachgedacht werden, da monetäre Unterstützung im Gründungsstadium essentiell ist und über den reinen Bekanntheitszuwachs hinausgehend, bei der erfolgreichen Gründung hilft.
Die Unterstützung der Bürgschaftsbank beim Thema Nachfolge ist vorbildlich und muss beibehalten werden. Zur Unterstützung von Nachfolgeprozessen sollte gleichwohl ein Sensibilisierungsprogramm für das Thema Nachfolge neu aufgesetzt werden. Auf der einen Seite gibt es aktuell viele Unternehmen, die in den kommenden Jahren zur Nachfolge bereitstehen, auf der anderen Seite besteht die Herausforderung, dass der Nachfolgeprozess so früh wie möglich angegangen werden muss und der Unterstützung bedarf. Wie für die Gründung, bedarf es auch für die Nachfolge eines entsprechenden Programmes. Der Handel mit seiner vielfältigen und kleinteiligen Struktur in den Klein- und Mittelzentren in Hessen benötigt dabei besondere Unterstützung.
Der Einzelhandel in Hessen ist ein großer Ausbilder und hat sein Angebot während der Pandemie ausgebaut. Um junge Menschen für duale Ausbildungen zu gewinnen, braucht es eine Imagekampagne mit attraktiven Anreizen. Die Landesregierung sollte regionale Strategien und Investitionen fördern, um das Matching auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu verbessern. Regelmäßige Überprüfungen und Flexibilisierung der Bildungswege sind wichtig. Neue Ausbildungsberufe wie der Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce sind gefragt und sollten ausgebaut werden, wofür eine höhere Berufsschuldichte förderlich ist.
Als einer der größten Ausbilder in Hessen hat der Einzelhandel während der Pandemie sein Stellenangebot ausgebaut. Für junge Menschen bietet der Einzelhandel mit mehr als 60 Ausbildungsberufen sowie verschiedenen Abiturientenprogrammen und dualen Studiengängen eine große Vielfalt an Angeboten und ist damit breit aufgestellt.
Um junge Menschen von einer dualen Ausbildung zu überzeugen, braucht es attraktive Anreize und eine Imagekampagne, die die kommende Landesregierung mit einem wirkungsvollen Etat ausstatten muss. In Hessen gibt es große regionale Unterschiede auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Um das Matching weiter zu verbessern, gehören nach Regionen differenzierte Strategien, Mobilitätsinstrumente und Investitionen in das Ausbildungswohnen, in das Pflichtenheft einer Landesregierung. Im Bereich der Berufsausbildung ist es weiterhin notwendig Ausbildungsberufe und Berufsbildpositionen regelmäßig zu überprüfen und im Rahmen von Neuordnungsprozessen zeitgemäß anzupassen.
Generell muss geprüft werden, wie das System beruflicher Bildung weiterentwickelt und Bildungswege innerhalb dieses Systems flexibler gestaltet werden können. Hierbei dürfen auch die Primar- und Sekundarstufe nicht außer Acht gelassen werden. Eine vorberufliche Qualifizierung für spätere Arbeitsgebiete im Handel umfasst IT-Kenntnisse, wie auch betriebswirtschaftliches Grundwissen, die in Schulen transportiert werden müssen.
Die regelmäßigen Neuordnungen oder auch die Schaffung attraktiver neuer Ausbildungsberufe, wie z.B. des Kaufmanns bzw. der Kauffrau im E-Commerce, welcher modernsten Anforderungen entspricht und von Jugendlichen als sehr attraktiv empfunden wird, zeigt, dass neue zukunftsfähige Angebote als solche erkannt und gerne nachgefragt werden. Um diese effektiv nutzen und ausbauen zu können, bedarf es jedoch vor allem einer höheren Berufsschuldichte für das Ausbildungsangebot zum/zur Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce.
Mit einer Einmündungsquote von gemeldeten Interessierten in eine Berufsausbildung in Höhe von 40 Prozent, liegt Hessen bundesweit seit Jahren auf dem vorletzten Platz. Der Schlüssel für eine Erhöhung liegt in einer breiten Berufsorientierungsoffensive. Es gilt in allen Schulen der Primar- und der Sekundarstufe sowie in der Elternarbeit, Vorteile und Karrierechancen, insbesondere auch im hessischen Einzelhandel, aufzuzeigen. Das setzt interessierte und kompetente Lehrkräfte voraus, weshalb der Kultusminister oder die Kultusministerin Berufsorientierung in der Lehrkräfteausbildung und -fortbildung stärker und verbindlicher verankern muss, als das bislang der Fall ist.
Wir fordern eine verlässliche BO an allen allgemeinbildenden Schulen und den Ausbau von digitalen Angeboten. Die beruflichen Schulen sollen als Partner der ausbildenden Handelsunternehmen attraktiver werden. Dabei geht es um eine Investitions- und Innovationsoffensive bei den Ausbildungskonzepten, die moderne technische Ausstattung und um Weiterbildungen für Lehrkräfte. Bund und Länder sind hier gemeinsam gefordert.
Ohne außerschulische Angebote der Berufsorientierung geht es nicht. Deshalb sollte die Landesregierung einen über die Dauer der kommenden Legislaturperiode angelegten Innovationstopf für externe BO-Maßnahmen einrichten. Darüber hinaus muss die Regierung Schulen mit einem eigenverantwortlichen BO-Budget ausstatten, Praktikumsphasen in den Schulferien honorieren und fördern, einen jahrgangsspezifischen BO-Fahrplan mit Unterrichtseinheiten entwickeln, zielgruppenspezifische Informationen erstellen und eine landesweite Praktikums- und Stellenbörse aufsetzen.